Elite EM 2022 – Interview mit Nina Wettstein

Bild: Detlev Seyb
Bild: Detlev Seyb (Swiss Rowing)

Seit wann bist du zurück von deinem Studienjahr in Schweden? Was hast du für Eindrücke von diesem Jahr? Sprichst du nun fliessend schwedisch?
Am 24. Mai bin ich aus Schweden zurückgeflogen und seit dem 1. Juni wieder voll in Sarnen im Einsatz. Schweden war für mich eine sehr lehrreiche Zeit, wenn auch anders als ich ursprünglich gedacht hätte. Die Stockholm School of Economics ist eine tolle Universität und hat einen guten Ruf in den Skandinavischen Ländern. Von daher genoss ich eine gute Ausbildung während meines 10 Monate dauernden Aufenthaltes im Norden. Was das Rudern anging, gestaltete sich das Training mehrheitlich schwierig. In einem eher einfachen und kleinen Ruderclub untergebracht, gab es nicht wirklich ein Team, mit dem ich trainieren konnte. Daher war ich oft auf mich alleine gestellt. Weil Im Winter der See zugefroren war, musste ich viele Kilometer alleine im Fitness auf dem Ergometer absolvieren. Dies hat mich aber mental extrem gestärkt und mir gezeigt, dass mir meine Ziele wichtig sind und ich mich nicht von einer schwierigen Zeit unterkriegen lasse, wofür ich sehr dankbar bin.

Wie verlief der Selektionsprozess für die Teilnahme der EM?
Zwei Wochen nach meiner Rückkehr fanden bereits die Trials für das Elite Team statt, wobei wir an einem heissen Samstag Nachmittag sogenannte Matrix-Rennen auf dem Rotsee absolvierten. Dabei hat man alle 40 Minuten einen Start und fährt Rennen über 1500m (schlussendlich haben wir 7 davon gemacht). Das Ziel ist, in so vielen Kombinationen wie möglich den 4x auszuprobieren, um die schnellste Crew zu finden. Da die ersten Trials bereits im April stattgefunden hatten und der 4x bereits einige Kilometer zusammen gerudert hatte, waren einige Plätze schon fix besetzt. Nach einem Jahr «Selbstcoaching» in Schweden war für mich der Einstieg in den 4x in diesem Moment daher nicht möglich und so wurde ich mit Fabienne Schweizer für den 2x selektioniert. Es ist das Ziel, dass jeder Athlet möglichst viel internationale Rennerfahrung auf Elite Niveau sammelt, um Fortschritte machen zu können. Daher wurden wir nach den 2 Weltcuprennen auch für die EM selektioniert.

Wie und wo habt ihr trainiert auf die EM und wer ist eure/er Trainer:in?
Für die EM haben wir ein Trainingslager in Libourne (Frankreich) absolviert. In zwei Wochen sind so über 400km in bis zu 40°C Hitze zusammen gekommen. Dabei haben wir viele Intervalle, Testrennen, Krafttrainings und Ergometerbelastungen gemacht. Gecoacht werden wir mehrheitlich von Nick Lyod und Kirby Gallie, sie beide sind Assistenztrainier von Ian Wright. Den Trainingsplan befolgen wir aber alle den gleichen, der von Ian geschrieben wird.

Wie habt ihr euch gegen Covid geschützt und wart ihr persönlich mal erkankt oder haben sich anderen Erkrankungen auf die Selektion/Training ausgewirkt?
Wir sind noch immer sehr vorsichtig und versuchen möglichst als Gruppe eine ‹Bubble› zu bilden, und uns während dem Reisen entsprechend zu schützen. Leider hatte aber das halbe Team eine Woche vor dem Weltcup 3 in Luzern Corona. Fabienne, meine Bootspartnerin betraf dies leider auch und aufgrund meiner schlechten Fitness gingen wir davon aus, dass auch ich asymptomatisch erkrankt war. Dies wirkte sich in der Folge natürlich stark auf unsere Rennen aus, Der Start und die erste Rennhälfte gelang uns meist sehr gut, aber dann fehlte uns die nötige Fitness, um das Rennen ins Ziel zu fahren.

Was sind deine Erwartungen an die EM? Wie stark sind die Gegnerinnen einzustufen?
Da wir immer noch eine sehr neue Crew sind, ist unser Ziel jederzeit, das bestmögliche Rudern im Rennen abrufen zu können. Wir haben in den letzten paar Wochen extrem viel gelernt und versuchen jeden Tag auf Neue, dies umsetzen zu können. Am Ende des Tages wollen wir vom Platz gehen und sagen können, dass wir alles gegeben haben und unser bestes Rennen gefahren sind. Die Gegnerinnen sind extrem stark. Mit der Elitestufe begibt man sich in ein Feld von Athleten, die zum Teil so lange auf diesem Niveau rudern, wie ich überhaupt diesen Sport mache. Es befinden sich sehr grosse Namen dabei; so starten wir gegen die letztjährigen Olympia-Gold und Bronzemedaillen-Gewinnerinnen, sowie weitere Olympiateilnehmende. In so einem Feld mitfahren zu können, ist an sich schon eine riesige Ehre.

Wie viele km hast du dieses Jahr schon auf dem Wasser und auf dem Ergo trainiert? Hattest du mal eine Verletzung oder ist die Saison bisher gut verlaufen?
Ich habe mittlerweile etwas den Überblick verloren. Ich weiss, dass ich im Winter ca. 1800km auf dem Ergometer gerudert bin, während ich nicht aufs Wasser konnte. Im Training bei Ian machen wir jeden Tag mindestens 35km, was sich dann auch schnell summiert. 
Was Verletzungen angeht bin ich soweit ,»Holz alange» ,verschont geblieben. Was mir jedoch von Zeit zu Zeit Probleme macht, ist mein rechter Fuss. Seit meinem Unfall im 2018 habe ich diverse Bewegungseinschränkungen. Aber auch damit lernt man umgehen :).

Was machst du nach der EM? Gibt es noch weitere internationale Einsätze? Gibt es auch noch Ferien oder geht das Studium gleich wieder los?
Das Ziel ist es, an den Weltmeisterschaften in Racice Ende September zu starten. Bis dahin haben wir nochmals ein wenig Zeit an unseren Skills zu arbeiten und uns zu verbessern. Das Studium beginnt bereits Mitte September wieder, also vor der WM. Da noch Ferien einzuplanen, wird eher schwierig werden. Nach Racice sollten wir aber 3 Wochen «Sarnen frei» haben, was dann meine Ferien sind :-). 

11.8.2022 /Ueli Lott